Boden unter den Füßen
Ein Weg liegt vor mir und will gegangen werden. Eine Aufgabe will angepackt sein. Ein Einfall sollte weiter verfolgt werden.
Ich muss mich aufraffen. Wie weit ich komme, weiß ich nicht. Ich darf nicht vorschnell aufgeben. Und ob es am Ende etwas bringt, ist auch die Frage.
Jede Wegstrecke, jede Herausforderung: eine neue Erfahrung, ein kleines oder größeres Wagnis, ein Akt des Vertrauens.
In solchen Situationen denke ich an einen Satz des kürzlich verstorbenen Schriftstellers Martin Walser, der mir Mut macht: „Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße.“ Den Text Walsers, den ich irgendwann einmal in einem Büchlein „Lektüre zwischen den Jahren“ gefunden hatte, habe ich kürzlich beim Treffen der Standverantwortlichen des Weihnachtsbasars vorgelesen:
„Mut gibt es gar nicht. Sobald man überlegt, wo man ist, ist man schon an einem bestimmten Punkt. Man muss nur den nächsten Schritt tun. Mehr als den nächsten Schritt kann man überhaupt nicht tun.
Wer behauptet, er wisse den übernächsten Schritt, lügt. So einem ist auf jeden Fall mit Vorsicht zu begegnen.
Aber wer den nächsten Schritt nicht tut, obwohl er sieht, dass er ihn tun könnte, tun müsste, der ist feig.
Der nächste Schritt ist nämlich immer fällig. Der nächste Schritt ist nämlich nie ein großes Problem. Man weiß ihn genau.
Eine andere Sache ist, dass er gefährlich werden kann. Nicht sehr gefährlich. Aber ein bisschen gefährlich kann auch der fällige nächste Schritt werden.
Aber wenn du ihn tust, wirst du dadurch, dass du erlebst, wie du ihn dir zugetraut hast, auch Mut gewinnen. Während du ihn tust, brichst du nicht zusammen, sondern fühlst dich gestärkt. Gerade das Erlebnis, dass du einen Schritt tust, den du dir nicht zugetraut hast, gibt dir ein Gefühl von Stärke.
Es gibt nicht nur die Gefahr, dass du zu viel riskierst, es gibt auch die Gefahr, dass du zu wenig riskierst. Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße.“
Immer wieder den Boden unter den Füßen zu spüren, das ist eine wunderbare Erfahrung, die ich beim Wandern mache. Deswegen wandere ich so gern. Beim Gehen ist jeder Schritt eine Vertrauensübung: Du hebst einen Fuß vom Boden, hast ihn für einen Augenblick in der Luft, du setzt ihn auf den Boden und vertraust darauf, dass du ihn auf sicheren Grund setzen kannst und der Boden hält. Gehen ist mehr als bloße Fortbewegung, um schnell irgendwo hinzukommen, sondern es erfordert, sich dem Boden anzuvertrauen. Es gibt uns einen Hinweis und eine Ahnung vom Grund des Lebens, der uns trägt.
Pastor Peter Oßenkop