Das Leben – ein Spagat
In diesen Tagen denke ich wieder an Martin Luther: Am 31. Oktober ist Reformationstag, der an den Thesenanschlag an der Schlosskirche in Wittenberg im Jahr 1517 erinnert. Und am 10. November vor 540 Jahren wurde Luther geboren.
Mich beeindruckt an Luther immer wieder, wie nah er an den Menschen und ihren jeweiligen Lebensfragen „dran“ war. Davon zeugen seine Predigten, Briefe und vor allem die überlieferten Tischreden. Darin spricht Luther als Seelsorger, der den Nöten der Menschen nachgeht und sie aufrichten möchte.
Die beiden folgenden Textausschnitte wurden im Gottesdienst am letzten Sonntag vorgelesen. Luther nimmt auf der einen Seite die „Traurigkeit und die Schmerzen“ ernst, die uns Menschen berühren, und wischt sie nicht durch beschwichtigende Worte beiseite. In dem anderen Zitat will er unseren Blick weiten, dass wir nicht in der Traurigkeit „ertrinken“. In den Textausschnitten wird deutlich, was bei Luther und seiner Sicht auf den Menschen öfter anklingt: Das Leben ist geradezu wie ein Spagat zwischen gegensätzlichen Erfahrungen, die wir aushalten und durchleben müssen.
„Wir seufzen und weinen nicht vergeblich.
Es ist alles angeschrieben und verzeichnet
in unseres Herrn Gottes Buche…
Das ist eine treffliche Ehre und Herrlichkeit,
dass wir wissen, dass Gott auch unsere Tränen zählt
und dass sie gleichsam in ein goldenes Gefäß gesammelt werden…
Gott sieht uns nicht von ferne an,
sondern ist nahe bei uns und zählt meine Gedanken,
Traurigkeit und Schmerzen, auch des Nachts,
und will, daß ich dafür einen Ausgleich empfange,
viel reichlicher, als ich es begehrt oder selbst verstanden habe.“
„Gott will, dass wir fröhlich seien, und hasst die Traurigkeit.
Wenn er nämlich gewollt hätte, dass wir traurig seien,
hätte er uns nicht die Sonne, den Mond
und die anderen Schätze der Erde geschenkt.
Dies alles gibt er uns zur Freude.
Sonst hätte er Finsternis geschaffen und nicht zugelassen,
dass die Sonne immer wieder aufgeht
oder dass der Sommer immer wiederkommt.
Wir kommen nie aus der Traurigkeit heraus,
wenn wir uns ständig den Puls fühlen.“
Pastor Peter Oßenkop