Friedensinseln
In einer Welt und einer Zeit, wo wir mit so viel Unfrieden konfrontiert sind, suche ich nach „Friedensinseln“. Ich möchte meinen Horizont erweitern und Friedensinseln in den Blick nehmen, um nicht von allem anderen erdrückt zu werden. Friedensinseln sind da, sie sind nicht Wunschdenken, sondern genauso Realität wie aller Unfriede. Wir sehen sie oft nur nicht. Journalisten sagen: „Bad news are good news“, weil man damit Aufmerksamkeit erregt. Vielleicht trauen wir selber den Friedensinseln nicht allzu viel zu, weil ihre Stimmen übertönt werden und sie nur selten Breitenwirkung entfalten. Aber es gibt sie; wir müssen sie nur finden.
Es gibt z. B. das „West-Eastern Divan Orchestra“, vor über 20 Jahren gegründet von dem jüdischen Pianisten und Dirigenten Daniel Barenboim und dem arabischen Wissenschaftler Edward Said. In diesem Orchester spielen bis heute junge arabische und israelische Musiker und Musikerinnen zusammen. Nach dem Terroranschlag der Hamas schrieb Barenboim: „Was nun? Ergeben wir uns nun dieser furchtbaren Gewalt und lassen wir unser Streben nach Frieden sterben – oder beharren wir weiter darauf, dass es Frieden geben muss und geben kann?“
Am 7. Oktober gab es auch die folgende Begegnung, von der in den israelischen Medien berichtet wurde: Rachel Edri, eine israelische Großmutter, erlebte, dass fünf bewaffnete Hamas-Terroristen in ihre Wohnung eindrangen. „Sie hatten Granaten, Kalaschnikows und was weiß ich noch alles dabei. ,Wir sind Märtyrer, wir sind Märtyrer‘, schrien sie.“ „Haben Sie gegessen? Möchten Sie einen Kaffee oder Tee? Ich werde Ihnen einen machen“, bot sie den Terroristen an, als diese ihr eine Granate an den Kopf hielten. Sie dachte sich, sie sind wütend, wenn sie hungrig sind, und so machte sie ihnen Hühnchen und bot ihnen Kekse an. „Ich habe sie gefüttert und mit ihnen geplaudert: ‚Wie alt bist du? Woher kommst du?‘“ Während sie und ihr Mann geduldig auf eine Rettung warteten, sangen sie mit ihren Geiselnehmern israelische Lieder. Einer der Terroristen war verletzt, und Rachel verband sogar seine Wunden, setzte sich zu ihm und streichelte seine Hand. „Ich habe versucht, sie abzulenken, damit sie uns nicht umbringen. Ich wollte auch nicht, dass sie hungrig und gereizt werden.“
Die langen Stunden, bis später israelische Soldaten zur Befreiung eintrafen, waren auch eine Art Friedensinsel, aus einer Mischung von Angst, Klugheit, menschlicher Souveränität heraus. Aber immerhin: ein Friedensangebot, dem allerdings – das sei nicht verschwiegen –ein tödliches Ende für die Terroristen folgte.
Das sind beispielhaft nur zwei Friedensinseln, die einen Bezug zur aktuellen Situation in Israel und Palästina haben. Man könnte viele Menschen und Initiativen nennen, die sich um Versöhnung in anderen Regionen der Welt bemühen, nicht zuletzt partnerschaftliche Projekte von Griechen und Türken, z.B. in Zypern.
Und wir haben unsere privaten Friedensinseln: Orte und Erfahrungen von Geborgenheit und Zuversicht, von Halt und Kraft, wie sie z. B. Eltern ihren Kindern schenken.
Ich selbst kann zur Friedensinsel werden, an der andere landen können; ich kann ihnen Halt und sicheren Boden unter den Füßen geben.
Pastor Peter Oßenkop