Zeit zum Zuhören – Zeit zum Beten
Im Lesezeichen der letzten Woche war das Zuhören ein Thema: Zum Zuhören braucht es einen Raum der Ruhe, in dem man sich Zeit füreinander lässt. Wer zuhören will, darf dem anderen nicht ins Wort fallen und nicht einfach drauf los reden. Nötig ist, dass ich als Hörender mich zurücknehme und nicht eilig auf ein Gesprächsergebnis dränge: Ich öffne mich und warte auf das, was mir vom anderen entgegenkommt.
Offenheit für Gott, das heißt für mich Beten. Wie beim Zuhören im Gespräch mit einem Menschen nehme ich mir beim Beten Zeit. Ich bedränge Gott nicht mit der Erwartung oder gar der Forderung: Gott, nun sag doch endlich etwas! Vielmehr versuche ich, still zu werden: Ich öffne mich und warte auf das, was mir von Gott entgegenkommt. Ich spüre dem nach, was es in meinem Herzen bewegt und zu welchem Tun es mich hinführen will. Hilfreich sind für mich die alten Worte des Vaterunser. Ich spreche sie langsam aus und höre sie zugleich und gehe dem nach, was sie mir sagen wollen.
Der dänische religiöse Schriftsteller und Philosoph Sören Kierkegaard (1813-1855) beschreibt, wie es einem Beter ergehen kann und was das Ziel ist. Zunächst will der Beter vielleicht viele Worte machen, so dass der Eindruck entsteht, als wolle er sich Gott verständlich machen, damit Gott auch wirklich an alles denkt. Aber wenn das Gebet innerlicher wird, „da hatte er immer weniger und weniger zu sagen; zuletzt wurde er ganz still. Er wurde still, ja, was womöglich ein noch größerer Gegensatz zum Reden ist, er wurde ein Hörer. Er meinte erst, Beten sei reden; er lernte, dass Beten nicht bloß ist Schweigen, sondern Hören. Und so ist es; Beten heißt nicht sich selbst reden hören, Beten heißt stille werden und stille sein und harren, bis der Betende Gott hört.“
Beten ist etwas Schönes und Berührendes, etwas Anregendes und manchmal auch Aufregendes, etwas Beruhigendes und manchmal auch Irritierendes. So haben es die Beter in der Tradition der christlichen Mystik verstanden:
„Gebet besteht nicht in dem Bemühen, Gott zu erreichen, sondern darin, unsere Augen zu öffnen und zu erkennen, dass wir schon bei Ihm sind.“ (Thomas Merton, 1915-1968).
„Beten ist nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammen kommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.“ (Teresa von Avila, 1515-1582).
Pastor Peter Oßenkop