Diese Woche beginnen in Griechenland die Panhelladischen Prüfungen. Die Schülerinnen und Schüler beginnen nach einem sehr anstrengenden Lernmarathon nun endlich mit dem Endspurt ihrer Schulzeit.
Und was kommt danach? Wie werden sie abschneiden, und für welchen Weg werden sie sich entscheiden? Sie wissen es oft nicht. Was ist richtig, was ist falsch? Welche Kriterien haben sie?
Und das ist erst der Anfang. Immer wieder stehen wir vor Entscheidungen, und ich bewundere die Menschen, die schnell und scheinbar klar ihre Entscheidungen fällen können.
Hierzu die Geschichte „Der Wunderknabe“ von Hans Künstler:
Es war einmal ein Wunderknabe, der im zartesten Alter schon die ganze Welt erkannte. Von weit her kamen Menschen, um mit ihm zu sprechen. Sein Ruf ging in die Welt hinaus, und bald wollte man überall von seinem Wissen profitieren. So machte er sich auf die Wanderschaft um die ganze Welt, von der er gesprochen hatte, auch zu berühren. Er kam jedoch auf seinem Weg immer wieder auf einen Scheideweg, der ihn zwang, zwischen zwei, drei Möglichkeiten zu wählen.
Bei jeder Entscheidung büßte er immer mehr Möglichkeiten ein. Die Spur wurde immer enger. Die Rede floss ihm nicht mehr wie einst. Er wurde älter und war schon längst kein Wunderkind mehr, hatte tausend Wege verpasst. Er machte immer weniger Worte. Er setzte sich auf einen Meilenstein und sprach zu sich selbst: „Ich habe immer nur verloren: an Boden, an Wissen, an Träumen. Ich bin ein Leben lang kleiner geworden. Jeder Schritt hat mich von etwas weggeführt. Ich wäre besser zu Hause geblieben, wo ich noch alles wusste und hatte, dann hätte ich nie entscheiden müssen, und alle Möglichkeiten wären noch da.“
Müde wie er war ging er dennoch den Weg zu Ende, den er begonnen hatte. Er schaute sich um und merkte erstaunt, dass er auf einem Gipfel stand. Der Boden, den er verloren hatte, lag in Terrassen unter ihm. Er überblickte die ganze Welt, auch die verpassten Täler, und es zeigte sich also, dass er im Kleiner- und Kürzerwerden ein Leben lang aufwärts gegangen war.
(aus: Das soll dir bleiben, Friedrich Schorlemmer Hrsg., Radius 2017, S. 309)
In der Tageslosung von heute lese ich:
Mose sprach: Nehmt zu Herzen alle Worte, die ich euch heute bezeuge. Denn es ist nicht ein leeres Wort an euch, sondern es ist euer Leben. (5.Mose 32, 46+47)
Und aus dem Lesetext dazu: Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben. (Joh 6, 63b)
So sind es die Worte, die zu uns gesprochen wurden, die uns bei unseren Entscheidungen den Weg weisen. Sie sind Leben.
Pfarrerin Iris Kaufmann