Am Sonntag war ich bei einer befreundeten Pfarrerin im Gottesdienst. Im Predigttext ging es um das Gleichnis vom verlorenen Sohn.
Sie sprach von Verlorenem. Wir haben alle schon einmal etwas verloren. Gegenstände, die wir oft verzweifelt suchen, den Schlüssel zum Beispiel. Wie erleichtert bin ich, wenn ich ihn dann wiedergefunden habe.
Wenn ich etwas verloren habe, mache ich mich auf den Weg, auf die Suche.
Die Predigerin sprach von einer gewissen Sicherheit, einer Leichtigkeit, einer Selbstverständlichkeit, die ihr angesichts der haarsträubenden Ergebnisse der Europawahlen verloren gegangen sind. Aufgewachsen in einer Friedenszeit, die sicher und gut schien, werden Selbstverständlichkeiten unserer demokratischen Gesellschaft plötzlich in Frage gestellt. Wann ist uns das verloren gegangen und warum?
Der verlorene Sohn in dem Gleichnis war seinem Vater verloren gegangen. In der Geschichte sucht aber nicht der Vater nach ihm, sondern der Sohn selbst sucht, er sucht danach, wie er aus seiner verzweifelten Lage herauskommt, was ihm hilft, was ihn retten kann. Für ihn war es letztendlich die Rückkehr zu seinem Vater.
Er hat gesucht, um das Verlorene wiederzufinden und danach geschaut, was gut ist.
Manches lässt sich nicht wiederfinden. Meine große Schwester habe ich verloren. Sie ist ganz plötzlich gestorben, und ich muss danach suchen, wie ich das ertragen kann.
Ein kluger Mensch hat einmal gesagt: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Dazu kann man manche Geschichte erzählen, so wie die folgende von Ernst Bloch:
Verschiedenes Bedürfen
Man erzählt, ein Hund und ein Pferd waren befreundet. Der Hund sparte dem Pferd die besten Knochen auf, und das Pferd legte dem Hund die duftigsten Heubündel vor, und so wollte jeder dem anderen das liebste tun, und so wurde keiner von beiden satt.
Die beiden haben es doch wirklich gut miteinander gemeint. Es war aber nicht gut so. Was für mich gut ist, muss nicht genauso für die anderen gut sein.
Ich bleibe auf der Suche.
Dabei offen bleiben, suchen nach dem, was verloren gegangen ist, aber gut und richtig war, suchen danach, was gut für uns und unser Miteinander ist.
Dazu passt die bekannte Segensbitte: Gott schenke uns ein weites Herz und einen wachen Verstand – und ich füge hinzu: auf unserer Suche nach dem, was gut ist.
Wie tröstlich sind dazu die Worte von Kurt Marti:
Ehe wir dich suchten, Beschworen wir deine Brüderlichkeit,
warst du da. erging die Antwort schwesterlich.
Bevor wir dich „Vater“ riefen,
hast du uns als Mutter umsorgt. Immer bist du es,
Beugten wir die Knie vor dir, dem Herrn, der vorher war;
kamst du als Bruder entgegen. überall bist du es,
der begegnet.
Pfarrerin Iris Kaufmann