Tun und lassen
„Du sollst den Feiertag heiligen“ – so lautet eines der Zehn Gebote. Die Gebote wurden zuerst im Alten Testament formuliert, und da lesen wir das Gebot so: Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun… Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht…, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn. (2.Mose 20, 8-11)
„Sabbat“: das klingt für uns eher fremd. Aber es ist darin eine Erfahrung enthalten, die wir im Sommer, in der Ferienzeit, gut nachvollziehen können. Stellen Sie sich vor:
Sie sitzen am Strand und schauen aufs Meer. Sie allein, das weite Meer und der Himmel über Ihnen. Ein Gefühl von Weite, von Unendlichkeit. Sie spüren sich selber, Ihre Haut, die Luft um Sie, den Wind. Sie selbst ein Teil von dem Ganzen, das Sie da erleben! Sie tun nichts. Nur schauen und da sein. Ein Gefühl von einem Ganzen, mit dem Sie in Harmonie sind.
Oder: Sie sind auf einen Berg gestiegen. Sie allein oder zu zweit. Nun machen Sie Rast. Sie gucken ins Land; die Welt liegt Ihnen zu Füßen. Ein weiter Blick. Vielleicht legen Sie sich hin, spüren den Boden unter sich, den Duft, die würzige Luft, den Himmel über sich, vor Ihnen die Landschaft ausgebreitet. Auch hier: ein Bild der Harmonie; eine Ahnung von Frieden. Keine Hektik, nur Ruhe.
Oder denken Sie an ein Gespräch mit einem Menschen, der Ihnen vertraut ist. Sie tauschen sich aus, Sie teilen sich mit, was Sie erlebt haben und was Sie bewegt. Sie teilen Freude, Sie teilen Leid. Sie merken: der andere/die andere versteht mich. Eine Erfahrung von gegenseitigem Verstehen, von Harmonie! Sie merken gar nicht, wie die Zeit dahingeht. Zeit und Raum spielen keine Rolle. So könnte die Ewigkeit sein.
Dies alles sind Erfahrungen von Sabbat: Ruhe, Frieden zwischen Menschen, Harmonie von Mensch und Natur. Nichts wollen, sich nicht sorgen, nicht etwas regeln, nicht eingreifen. Losgelöst sein, befreit sein. Kein Zwang, kein Druck. Keine Leere, die durch Aktivitäten oder gar durch Aktionismus überspielt werden müsste. „Ein Vorgeschmack der Ewigkeit“ wird der Sabbat genannt. Etwas Schönes und Kostbares, das doch eigentlich jeder von selbst erstreben müsste. Braucht es dazu ein Gebot?
Ja, es gibt auch das Andere: das Arbeiten, das Bemühen, alles auf die Reihe zu kriegen: die Berufstätigkeit, das Geldverdienen, die familiären Aufgaben, die Wohnung und der Haushalt, die selbst auferlegten Verpflichtungen, noch etwas erledigen zu müssen, die Hobbies, die man sich auch noch gönnen will und die auch unsere Zeit in Anspruch nehmen.
Worin sind wir mehr geübt, was können wir besser: arbeiten und alles auf die Reihe kriegen oder sich Zeit lassen, nichts wollen, einfach da sein? Mehr als das Lassen haben die meisten von uns das Tun in ihrem Leben gelernt. Darum sagt das Gebot: Sechs Tage magst du arbeiten, das tust du sowieso, das musst du auch, aber am Sabbattag sollst du den Ruhetag, den Tag der Ewigkeit halten. Zu dem Letzten müssen wir wohl ausdrücklich aufgefordert werden. Ein altes Gebet lautet: „Gott, segne unser Tun und Lassen!“ Die Gedanken kommen und gehen lassen oder gar an nichts denken und einfach nur da sein, ist eine Lebenskunst und auch ein Geschenk. Ich wünsche allen, dass ihnen jetzt in der Ferienzeit solche Erfahrungen geschenkt werden.
Ein persönliches Nachwort: „Segne unser Tun und Lassen!“ Das „Lassen“ gilt auch für mich persönlich. Ich werde im Juli Griechenland ver-lassen. Ich werde die Arbeit in der Gemeinde sein lassen. Es ist aber nicht nur ein Ver-lassen, sondern ich lege das Getane in andere Hände: in die Hände derer, die für die Gemeinde weiterhin verantwortlich sind, und in Gottes Hände. Ich über-lasse die Gemeinde und auch mich dem Wirken Gottes und lasse mich überraschen.
Pastor Peter Oßenkop