Gedanken zur heutigen Tageslosung
Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden?
Matthäus 6,31
„Du sitzt ja schon auf gepackten Koffern!“ sagte ein Freund zu mir, als wir uns zum Abschied in meiner Wohnung trafen, um einen Abschiedskaffee zu trinken. Ja, in der Tat, schon am Vortag des Abfluges war alles bereit, getestet und gewogen.
Allerdings startete das Flugzeug in Hannover mit erheblicher Verspätung, Umsteigen, rasch, und dann weiter nach Athen. Geschafft. Doch dann das Drama: Das Rollband lief, lange, etliche Koffer wanderten entlang, und irgendwann stoppte das Band. Meine Koffer waren nicht dabei.
Mir ist in dem Moment wirklich nicht die Losung eingefallen, jener wunderbare Gedanken über die Sorge aus der Bergpredigt. Im Gegenteil, für diesen Moment spürte ich eine gewisse Panik aufkommen: Es ist Freitagabend – und am Sonntag ist Gottesdienst! Wie soll das gehen?
Ich sah mich schon in etwas reiseverbrauchter Kleidung da stehen, nein, das ging gar nicht.
Zum Glück gab es einen ruhigen, gelassenen und sehr reiseerfahrenen Ehrenamtlichen, der mich freundlicherweise vom Flughafen abgeholt hat. Das ist die Stärke der Gemeinde, es ist dann jemand da. Balsam für meine aufgewühlte Seele. Und tatsächlich konnte er, auf recht abenteuerlichen Wegen, dafür sorgen, dass ich noch am Samstagabend die Koffer aus einem liegengebliebenen Berg erkennen und herausfischen konnte.
Eine Lehre für mich, gerade wenn ich die heutige Tageslosung lese. Welche Sorge ich mir sogleich gemacht habe! Und wie wenig Zutrauen ich dazu hatte, dass sich Wege finden würden, die abhelfen, beruhigen.
Es reichte schon, mir vorzustellen, am Sonntag ohne meine gewohnte Kleidung, frisch gebügelt, da zu stehen. Ich war so erleichtert. Und gleichzeitig auch etwas beschämt, denn diese mich ergreifende Sorge war wirklich nicht nötig.
Es gab ja Hilfe. Ich kann ja fragen. Ja, wir brauchen einander, um durch das Leben zu kommen. Für mich wurde alles zu einer kleinen, aber wirksamen Vertrauensübung.
Ich habe natürlich, froh, wie ich war, davon erzählt. Und mehrmals hörte ich: Das ist mir auch schon passiert. Dazu dann die immer komplexen, mitunter auch etwas heiteren Geschichten, zumeist mit gutem Ausgang.
Natürlich habe ich mir vorgestellt: Was wäre wenn… Lese ich die Tageslosung und schlage dazu die Auszüge aus der Bergpredigt auf, dann beginne ich auch zu schmunzeln, über diese kleine Misslichkeit. Das kann eben jedem passieren.
Obwohl: Ich war dann doch froh, in meiner mitgebrachten Kleidung den Gottesdienst zu feiern, die schon besorgte Ersatzkleidung ungenutzt im Schrank hängen zu lassen – und mich doppelt zu freuen, an diesem Sonntag den Gottesdienst mit der Gemeinde zu feiern. Darauf singe ich nochmals ein Halleluja.
Pfarrer Martin Bergau