Vom Atmen
Wie entsteht das Wunder der Lebendigkeit des Menschen?
Durch den von Gott geschenkten Atem, sagt das biblische Wort.
In der Schöpfungsgeschichte im 1.Buch Mose, 2,7 lesen wir: „Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“ Und im Psalm 104, dem Lobpreis der Schöpfung, sagt der Beter, bezogen auf alle Menschen: „Du sendest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen. Nimmst du weg ihren Odem, so vergehen sie und werden wieder zu Staub.“
Lebendig sind wir also, weil und solange wir atmen. Im Wunder der Geburt beginnt, medizinisch gesehen, der Luftaustausch in der Lunge des kleinen Wesens, meist von einem Schrei begleitet. Wenn das Neugeborene endgültig vom Körper der Mutter getrennt wird, kommt sein eigener Lungenkreislauf in Gang, es wird zum selbstständigen Wesen, zur Person. Und wenn wir unseren letzten Atemzug tun, ist unser Leben zu Ende, der Lebenskreis hat sich vollendet. „Der du die Menschen lässest sterben und sprichst: Kommt wieder (= zurück), Menschenkinder“, heißt es im 90.Psalm.
Dass wir atmen, wird uns meist nur in besonderen Situationen bewusst, wenn wir außer Atem sind, Luft schöpfen müssen, tief durchatmen, aufatmen. Denn wie auch andere lebenswichtige Funktionen unseres Körpers wird die Atmung ohne unseren willentlichen Einfluss gesteuert. Gleichzeitig können wir unsere Atmung aber auch bewusst wahrnehmen und beeinflussen. Es tut gut, unserem Atem nachzuspüren, seine Tiefe, seinen Rhythmus zu beobachten. Beim Einatmen dehnt und weitet sich alles in mir, beim Ausatmen lasse ich los, löse mich von jeglicher Spannung. Gezielte Übungen wie im Hatha Yoga (Pranayama) und in der Praxis der Achtsamkeit schenken uns Energie, Lebenskraft. Das ist auch die Bedeutung des Wortes Prana in der uralten Sprache Sanskrit. Im Altgriechischen bedeutet das Wort Pneuma Geist, Hauch, Luft, Atem; in der Bibel ist damit der Atem des Menschen und der Geist Gottes gemeint.
Daher schreibt Kurt Marti:
Ungebet
Da du alles schon weißt,
mag ich nicht beten –
Tief atme ich ein,
lang atme ich aus
Und siehe: du lächelst.
Irene Vasos