„Δεν έχω οξυγόνο“ – ich bekomme keine Luft – dies ist das Motto, unter dem unendlich viele Menschen am letzten Freitag in Griechenland, ja, auch die griechische Bevölkerung in vielen anderen Ländern, auf die Straße gegangen sind, um der Opfer des Eisenbahnunfalls zu gedenken, der sich am 28.02.2023 auf der Strecke von Athen nach Thessaloniki bei Tembi ereignete. 57 Menschen, die meisten noch sehr jung, sind gestorben, 25 weitere erlitten schwere Verletzungen. Zwei Züge fuhren auf demselben Gleis und sind mit hoher Geschwindigkeit frontal zusammengestoßen. Es gab eine große Explosion und viele Menschen sind verbrannt.
„Ich bekomme keine Luft“ waren die Worte einer 20-jährigen Studentin am Telefon, bevor sie starb.
Die Menschen waren auch auf der Straße, weil der Unfall bis heute nicht zufriedenstellend aufgeklärt ist und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen worden sind. Sie fordern Gerechtigkeit. Ein Untersuchungsausschuss hat letzte Woche auf einer Pressekonferenz das Fazit gezogen, dass es einen Fehler nach dem anderen gegeben hat. Außerdem ist bis heute nicht geklärt, wie es zu der großen Explosion kommen konnte.
Folgende Worte des Vaters eines Opfers haben mich besonders berührt:
„Der christliche Gott, der Barmherzige, der Allbarmherzige, ist ein Märchen, er ist ein blutrünstiger Bösewicht, und an dem Tag, an dem mein Kind getötet wurde, hatte er frei.“
Aus diesen Worten klingt pure Verzweiflung und große Trauer.
Es ist die ewige Frage danach, warum Gott das Leiden in der Welt zulässt.
Warum greift er nicht ein?
Es sind immer wieder Antworten versucht worden. So zum Beispiel: Gott hat den Menschen mit der Freiheit zum selbstständigen verantwortlichen Handeln ausgestattet. Er ist nicht der Marionettenspieler, der alle Fäden in der Hand hält und das menschliche Handeln dirigiert.
In der Geschichte von Hiob in der Bibel, in der Hiob Gott anklagt, nicht gerecht zu handeln, erinnert Gott ihn daran, wie gut und schön er die Welt erschaffen habe, aber dass sie auch gefährlich und wild sei.
Eine weitere Antwort auf diese Frage ist, dass Gott die Leidenden, Traurigen, Verzweifelten nicht allein lässt. Er ist bei ihnen.
Für manche ist dies ein Trost, für manche ist dies keine Antwort. Gott ist ohnmächtig für sie.
Heute ist Aschermittwoch, und auch in der evangelischen Kirche beginnt damit die Fastenzeit. Seit vielen Jahren so auch die Aktion „7 Wochen ohne“, in der Menschen entscheiden, worauf sie in dieser Zeit verzichten wollen. Da gibt es viele Varianten: Rauchen, Süßigkeiten, Alkohol oder eben das, was für die Einzelnen jeweils wichtig ist.
Die EKD bietet jeweils ein Thema an. Für 2025 ist es das Motto „Luft holen! Sieben Wochen ohne Panik“. Ein Gegengewicht zu „atemlosen Zeiten“ soll gesetzt werden. Der hannoversche Landesbischof lädt in der Kampagne zum Durchatmen und Luftholen als Quelle des Trostes und der Freude ein. (epd 13.1.2025)
Als ich das gelesen habe, stockte mir der Atem.
Auf der einen Seite: „Ich bekomme keine Luft“ – auf der anderen Seite „Luft holen. Sieben Wochen ohne Panik“. Das ist fast sarkastisch.
Aber ja, Panik existiert gerade, auch die Frage, warum Gott das alles zulässt. Mich fragen das Menschen, die keinen Bezug zu Gott haben: Was ist das für ein Gott, an den du da glaubst? Der das alles zulässt. Ich kann ihnen nicht wirklich antworten.
Aber die Panik nicht über sich kommen lassen, sich nicht lähmen lassen, der Ohnmacht nicht das letzte Wort geben – Durchatmen und Luft holen –
so lese ich das Gedicht von Walter Helmut Fritz:
An einem solchen Morgen
Lass uns
hinausgehen
in das präludierende Licht
der Frühe.
Lass uns
das Windwasser
schmecken,
das über uns
hinströmt.
Lass uns
den Tag grüßen,
der die Anker gelöst hat
und Kurs
auf die Vielfalt
nimmt.
Es müsste
der Friede
an einem solchen Morgen
doch sichtbar werden
am Horizont.
Pfarrerin Iris Kaufmann