Zum Tod von Papst Franziskus
Am Ende des Lebens leuchtet auf, womit ein Mensch begnadet gewesen ist. Wir erlebten es bei den Begräbnisfeierlichkeiten für Papst Franziskus.
Berührend war die Anwesenheit der Würdenträger der östlich-orthodoxen Kirchen und des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel. „Χριστός Ανέστη” wurde gesungen, und es erklang ein Teil der orthodoxen Liturgie mit ihrem abschließenden „Αιωνία η μνήμη”. Patriarch Bartholomeos legte am Sarg weiße Rosen nieder.
Den Papst und den Patriarchen verband eine enge persönliche Freundschaft. In den zwölf Jahren seines Pontifikats sei Franziskus „ein treuer Freund, Gefährte und Unterstützer des Ökumenischen Patriarchats“ gewesen, schrieb Bartholomeos in seinem Kondolenzbrief. „Er hinterlässt ein Beispiel echter Demut und brüderlicher Liebe.“ In seiner Enzyklika „Laudato si’” hatte der Papst wiederum den Patriarchen als Beispiel für einen ökumenischen Dialog über die Bewahrung der Schöpfung zitiert.
Die Bemühungen des verstorbenen Papstes um den interreligiösen Dialog reichten über die christlichen Kirchen hinaus. Am 4. Februar 2019 hatte er in Abu Dhabi gemeinsam mit dem Kairoer Großimam Sheikh Ahmed Al-Tayyeb, der als eine wichtige religiöse Autorität des sunnitischen Islams gilt, das Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt unterzeichnet. Der Text betont die Geschwisterlichkeit aller Menschen und die gegenseitige Achtung als Grundlage für den interreligiösen Dialog. „Pluralismus und die Verschiedenheit in Bezug auf Religion, Hautfarbe, Geschlecht, Ethnie und Sprache entsprechen einem weisen göttlichen Willen, mit dem Gott die Menschen erschaffen hat“, heißt es da.
Dieses Dokument inspirierte im Jahr 2020 die Resolution der Vereinten Nationen, die den 4. Februar zum Internationalen Tag der menschlichen Geschwisterlichkeit erklärte, und es beeinflusste auch die „Enzyklika Fratelli tutti” des Papstes über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft vom Oktober 2020. Der erste Absatz lautet:
„» Fratelli tutti« schrieb der heilige Franz von Assisi und wandte sich damit an alle Brüder und Schwestern, um ihnen eine dem Evangelium gemäße Lebensweise darzulegen. Von seinen Ratschlägen möchte ich den einen herausgreifen, mit dem er zu einer Liebe einlädt, die alle politischen und räumlichen Grenzen übersteigt. Er nennt hier den Menschen selig, der den anderen, „auch wenn er weit von ihm entfernt ist, genauso liebt und achtet, wie wenn er mit ihm zusammen wäre“. Mit diesen wenigen und einfachen Worten erklärte er das Wesentliche einer freundschaftlichen Offenheit, die es erlaubt, jeden Menschen jenseits des eigenen Umfeldes und jenseits des Ortes in der Welt, wo er geboren ist und wo er wohnt, anzuerkennen, wertzuschätzen und zu lieben.“
Die Enzyklika endet mit zwei Gebeten.
Gebet zum Schöpfer
Herr und Vater der Menschheit,
du hast alle Menschen mit gleicher Würde erschaffen.
Gieße den Geist der Geschwisterlichkeit in unsere Herzen ein.
Wecke in uns den Wunsch nach einer neuen Art der Begegnung,
nach Dialog, Gerechtigkeit und Frieden.
Sporne uns an, allerorts bessere Gesellschaften aufzubauen
und eine menschenwürdigere Welt
ohne Hunger und Armut, ohne Gewalt und Krieg.
Gib, dass unser Herz sich
allen Völkern und Nationen der Erde öffne,
damit wir das Gute und Schöne erkennen,
das du in sie eingesät hast,
damit wir engere Beziehungen knüpfen
vereint in der Hoffnung und in gemeinsamen Zielen. Amen.
Ökumenisches Gebet
Herr, unser Gott, dreifaltige Liebe,
lass aus der Kraft deiner innergöttlichen Gemeinschaft
die geschwisterliche Liebe in uns hineinströmen.
Schenke uns die Liebe, die in den Taten Jesu,
in der Familie von Nazareth und in der Gemeinschaft der ersten Christen aufscheint.
Gib, dass wir Christen das Evangelium leben
und in jedem Menschen Christus sehen können,
dass wir ihn in der Angst der Verlassenen und Vergessenen dieser Welt
als den Gekreuzigten erkennen
und in jedem Bruder, der sich wieder erhebt, als den Auferstandenen.
Komm, Heiliger Geist, zeige uns deine Schönheit,
die in allen Völkern der Erde aufscheint,
damit wir entdecken, dass sie alle wichtig sind,
dass alle notwendig sind, dass sie verschiedene Gesichter
der einen Menschheit sind, die du liebst. Amen.
Irene Vasos