Sprachenwunder
Neulich war wieder eine solche Situation: Ein Teil konnte nur Griechisch verstehen, ein anderer nur Deutsch, man einigte sich auf Englisch. Und dann wurde die Diskussion lebendig, ein wenig hitzig gar. Schon bald wechselte das Englisch, je nach Stimmung, kurz ins Griechische, dann kamen wieder deutsche Versatzstücke hinzu, Staunen, Gelächter zwischendrin, Hände und Mimik halfen, wunderbar!
So viel Lebendigkeit. Und so viele Nuancen, wie sie verschiedene Sprachen hergeben. Nur Kuddelmuddel? Im Gegenteil. Welche Schönheit, in mehreren Sprachen gleichzeitig unterwegs zu sein. Wir kamen zu einem Ergebnis. Ein Sprachenwunder. Ein Körperereignis.
Das war es auch, als die Jüngerinnen und Jünger hinter verschlossenen Türen beieinander saßen und ihren verlorengeglaubten Hoffnungen, nachdem Jesus sie verlassen hatte, nachtrauerten. Nicht nur die Türen des Raumes waren verrammelt, die Türen der Herzen waren auch geschlossen. Doch dann wirkte der Geist Gottes, das Pfingstwunder im Sprechen, Verstehen, Hören, und das in den Sprachen der Welt.
Gerade haben wir das Pfingstfest gefeiert, das an das Sprachenwunder erinnert. Es erzählt davon, wie die Stillgewordenen, Sprachlosen hingerissen wurden von dem Atem Gottes, entflammt, leidenschaftlich, sogar verzückt. Da gab es keine Grenzen mehr, keine Sprachgrenzen, diese waren aufgehoben. Gottes Geist ergriff sie, Atem von seinem Atem, Leben, uns eingehaucht mit unserer Geburt. Und wahrscheinlich schon davor. „Du sendest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen – und erneuerst die Gestalt deiner Erde“, heißt es in einem Psalmwort.
Das Leben freigeben, davon erzählen, ja, das gehört zu Pfingsten. In einem schönen Lied aus unserem Gesangbuch heißt es: „Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen. Erzählen will ich von allen seinen Wundern und singen seinem Namen.“
Anfangen zu erzählen: Was macht mein Leben aus? Was ist mir wichtig, und was macht mich glücklich? Oder davon, was mir Eltern, Lehrer, Freunde mitgegeben haben, was ich in meinem Leben als Fügung erlebt habe. Was mich hat jauchzen lassen, was mich hat weinen lassen. Und davon weitergeben als mein Leben, von Gott geschenkt.
Wo Menschen anfangen, zu erzählen, wird es lebendig. Das Leben herauslassen, das in uns steckt. Dem Geist Gottes die Türen öffnen, damit er wehen kann, diese Lebenskraft Gottes. Sie ist uns mit der Taufe geschenkt.
Ja, warum sollten wir uns mit dem, was uns begeistert oder bedrückt, verstecken und uns selbst nicht ernstnehmen, wo Gott uns doch ernstnimmt und uns will als geistsprühende Frauen und Männer, als Junge und Altgewordene, Menschen, in deren Augen die Freude am Leben blitzt!
Das Lied endet in dem Vers: „Ich freue mich und bin fröhlich, Herr, in dir! Halleluja!“ Und das wird gleich zweimal gesungen, also mit einem doppelten: „Halleluja!“
Pfarrer Martin Bergau