Aufräumen und Bügeln, den Vorgarten von Unkraut befreien und Fenster putzen schiebe ich gelegentlich vor mir her – meist mit dem Vorwand, etwas anderes Dringendes vorher erledigen zu müssen. Doch irgendwann kommt dann der Punkt, da wird es wirklich zu bunt.
Die Scheiben verweigern die erwünschte Aussicht, der Hemden- und Blusenvorrat schwindet bedrohlich und die Zahnarztrechnung ist irgendwie verschwunden. Es hilft keine Ausrede: es wird geräumt, geputzt und geordnet. Hinterher fällt mir jedes Mal auf, dass ich gar nicht soviel Zeit und Kraft dafür brauche, wie ich sie mir zur eigenen Abschreckung immer ausmale.
Die Reinigung, die mein Kopf und meine Seele hin und wieder nötig haben, schiebe ich auch mitunter vor mir her – lieber arbeite ich, mache einen Besuch oder lenke mich auf andere Weise ab. „Halte dich selber rein“, heißt es in der Bibel (1. Tim. 5,22). Ich merke, wenn ich es nicht tue, bleibt mein Durchblick auf der Strecke und manches andere auch.
Die Begegnung mit sich selbst ist anstrengender als Fensterputzen. Aber wenn ich mir die eigenen versponnenen, verschmutzten Winkel wieder einmal vornehme – die Ecken, in denen sich so allerhand angesammelt hat, dann fühl ich mich entschieden besser. Es ist ein höchst erfreuliches Gefühl, für eine Weile mit sich im Reinen zu sein.
Manchmal ist das Aufräumen innen und außen gar nicht soweit voneinander entfernt. Die äußere Struktur hilft die Gedanken zu ordnen und den Kopf frei zu bekommen.
Dorothee Sölle hat dazu ein Gedicht geschrieben, das ich sehr liebe:
An meine Töchter
Bitte lasst eure zimmer nicht verkommen
Wenn eure zimmer hässlich sind
werdet ihr euch selber nicht lieb und wert halten
wenn ihr euch selber nicht ehrt
werden eure Gedanken ohne spannkraft sein
wenn eure gedanken nichts anziehen,
werden eure bewegungen ungenau
wenn eure bewegungen fahrig sind,
wird eure haut nichts von den blumen lernen
wenn eure haut nichts von den blumen lernt,
wird euer herz wüst und leer sein
Wenn euer herz gleichgültig ist,
bleibt ihr unvertraut mit dem schönen
wenn ihr ohne Vertrauen lebt,
könnt ihr die hälfte des himmels nicht tragen
wenn ihr die hälfte des himmels nicht tragt,
könnt ihr über eure alte mutter nicht lachen
Bitte lasst eure zimmer nicht verkommen.
Dorothee Sölle
In: Verrückt nach Licht, © Wolfgang Fietkau Verlag, Kleinmachnow
Pastorin Frauke Eiben
