Im heutigen Lesezeichen schreibt Pastor Peter Oßenkop über Demut, eine adventliche Tugend.
Wir wünschen eine allen eine schöne Adventszeit.
Demut – zwischen Allmacht und Ohnmacht
Demut – eine adventliche Tugend. Das Wort schien aus der Mode gekommen zu sein. Demut hatte keinen guten Ruf. In letzter Zeit war es wieder häufiger zu hören, veranlasst durch die Einsichten, die uns die Corona-Situation gelehrt hat: Wir Menschen haben unser Leben nicht im Griff. Demut ist, wie ich finde, die angemessene Haltung dem Leben gegenüber, nicht Hochmut, nicht Leichtsinn, nicht Heldentum. Sogar bei der Vorstellung des neuen Koalitionsvertrags in Deutschland fiel das Wort: Wir haben Demut angesichts der Größe der Aufgaben und der Herausforderungen, vor die sich Politik und Gesellschaft derzeit gestellt sehen.
Was ist Demut? Es scheint ein einseitiges Verständnis zu geben: Da macht sich jemand ganz klein oder wird klein gemacht, er gibt Verantwortung aus der Hand oder wird erniedrigt. Ich meine, Demut beschreibt vielmehr die Mitte zwischen Allmacht und Ohnmacht. Im deutschen Wort Demut steckt ja auch „Mut“: Ich bin mutig genug, die Aufgabe, die vor mir liegen, anzunehmen, ich weiche nicht aus, laufe nicht davon, drücke mich nicht. Aber ich weiß um meine Grenzen, ich bin dankbar für Unterstützung und Korrektur durch andere. Ich versuche mein Bestes, aber das Gelingen habe ich nicht in der Hand. Ich bin nicht allmächtig wie Gott; ich bin Mensch, ein „Erdenkind“ (humilitas ist das lateinische Wort für Demut, und das bezieht sich auf „humus“, den Erdboden) und habe als solcher meine Würde und meine Begabungen.
Sprachgeschichtlich kommen im Wort Demut „Dienen“ und „Mut“ zusammen: Ich stehe im Dienst einer Sache, die ich mir zu eigen mache; ich stehe zu dem Auftrag oder zu der Bestimmung, die ich habe; ich tue, was dienlich ist, und nicht um meinen Ruf zu mehren und groß dazustehen. Demut führt zu „Entschlossenheit“(Kant).
In der biblischen Geschichte, die erzählt, wie der Engel Gabriel Maria die Geburt eines Sohnes ankündigt, heißt es am Ende: „Mir geschehe, wie du gesagt hast!“(Lukas 1,38) Darin sehe ich keine Untertänigkeit, sondern die Bereitschaft: Ja! Maria sagt Ja zu der Bestimmung, die ihr zugetraut wird. Sie sagt „Ja zu dem Kommenden“(Dag Hammarskjöld).
Das Wort einer Mystikerin aus dem Mittelalter, Mechthild von Magdeburg, ist auch zu meinem Wahlspruch geworden: „Worauf Gott seine Hoffnung setzt, das wage ich.“
Peter Oßenkop
PS: Ich lade ein zu den Gottesdiensten an den Adventssonntagen in der Christuskirche, in denen es um adventliche Haltungen geht: Geduld, Trost und Demut.