Mit dem heutigen Lesezeichen erinnert P.i.R. Martin Bergau an den Gottesdienst des letzten Sonntags und einer besonderen Erfahrung darin.
Du meine Seele, singe
Das war schön: Sonntags beim Gottesdienst in der Christuskirche. Es ist erlaubt, unter dem Vorbehalt der Masken wieder im Gottesdienst zu singen. Das gab es lange nicht. Mit Masken vor dem Mund singen? Na klar! Endlich wieder die Stimmbänder nutzen! Was stören dann die Masken, damit halten wir uns nicht auf.
Schräg hinter mir, auf der anderen Seite der Kirche sang eine Frau, und ihre Stimme klang ganz anders als es ihr Lebensalter eigentlich zuließ: Sie war hell, kraftvoll und auf eine bestimmte Weise jung. Das war ein sehr schöner, berührender Klang. Ich habe ab und zu bei einem Vers ausgesetzt, um ihrer Stimme zuzuhören. Tatsächlich, das war sie.
Da wurde der Vers des Liedes zum Lockruf:
Du meine Seele, singe, wohlauf und singe schön.
Dem, welchem alle Dinge zu Dienst und Willen stehn.
Ich will den Herren droben hier preisen auf der Erd,
ich will ihn herzlich loben, solang ich leben werd.
Es ist das bekannte Lied von Paul Gerhardt, dem wir die schönsten Lieder in unserem Gesangbuch verdanken. Johann Georg Ebeling hat es vertont und durch die Melodienwahl den Worten so etwas wie ein großes Aufatmen, Loslassen verliehen. Über mehr als eine Oktave greift die Melodie auf das hohe C hinauf, es ist wie ein Verströmen der Energie, alle Kraft in das helle Lob Gottes zu legen. Paul Gerhardts Worte hätten kaum schöner in Töne umgesetzt werden können.
Und ich durfte zuhören, mitsingen, zuhören – im Wechsel, und auf ganz eigene Weise habe ich verstanden, was Paul Gerhardt gemeint haben mag, als er schrieb: „Du meine Seele, singe.“ Wir könnten auch sagen: Es singt in uns, in mir.
In der Mitte der Woche übrigens ist immer gute Zeit, zu singen, meinetwegen auch unter der Dusche, ist kein schlechter Ort. Das Lied steht im Gesangbuch unter der Nummer 302. Es ist übrigens die Vertonung des Psalms 146. Ich empfehle ihn als Lektüre für die Mitte der Woche. In dieser Verbindung von Wort und Lied kommt der Psalm auch in Ihnen zum Klingen.
Und am Sonntag ist wieder Gottesdienst. Es wird garantiert gesungen.
Martin Bergau