Zeit schenken
Zuhören: Darum geht es neben anderen Themen im Bibeltext des kommenden Sonntags: Eine Frau mit Namen Maria hört Jesus zu, während ihre Schwester Marta aktiv ist und sich um die Bewirtung des Gastes kümmert.
Was für ein Verhalten verbinden wir mit „Zuhören“? Tätigkeit oder Nicht-Tätigkeit? Was klingt an, wenn mir das Wort „Zuhören“ begegnet:
„Du kannst gut zuhören.“
„Du hörst nur zu und sagst selber gar nichts.“
„Zuhören kann jeder, das ist doch keine besondere Kunst.“
„Du brauchst nichts zu tun, du kannst einfach nur zuhören.“
„Hör mir doch endlich zu!“
„Dir kann ich, wenn du erzählst, stundenlang zuhören.“
„Wer nicht hört, muss fühlen.“
Es gibt offensichtlich sehr verschiedene Weisen des Zuhörens und der Reaktion darauf.
Ich finde: Wer jemandem zuhört, gibt der anderen Person Raum zum Reden. Er schenkt ihr Zeit. Dankbar wird gesagt: „Schön, dass Sie mir Ihre Zeit schenken!“ Sich aussprechen zu können und nicht nach jedem Halbsatz unterbrochen zu werden, ist heilsam. Dagegen ist es schrecklich, wenn der Eindruck entsteht, dass einer nie richtig Zeit für seine Mitmenschen hat.
Man spricht von „aktivem Zuhören“, wenn die zuhörende Person „mitgeht“ und nachfragt, nicht nur Worte hört, sondern aufmerksam ist für Zwischentöne, die auch mitschwingen.
In der religiösen Praxis spielt Zuhören eine große Rolle. Man hört einer Predigt zu; das ist zunächst eher eine mehr intellektuelle Übung des Verstandes, aber manchmal wird man auch berührt, lässt sich trösten, lässt sich aufrütteln.
Neben der Predigt sind Gebet, Meditation und Schweigen wichtig und heilsam. Da hört das ewige Reden auf, und es kann ein Raum der Stille entstehen, in dem man allein Gott und seinem Wirken Raum gibt und ihm Zeit schenkt – Zeit, die mir selber dann auch gut tut.
Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, solche Zeiten der Stille, in denen Sie nicht abgelenkt und in Beschlag genommen werden von allen möglichen lauten und leisen Stimmen um uns herum, sondern zu sich selbst und zu Gott finden.
Peter Oßenkop