Liebe Mitglieder und Freunde unserer Athener Gemeinde,
im Lesezeichen für diese Woche fragt Pastorin Brigitte Bittermann aus Thessaloniki:
Wie schmeckt das Leben?
Das Leben schmeckt nach Himbeereis und Rosenblättern – sagen Verliebte.
Das Leben schmeckt nach Reis ohne Salz – sagen die, die schon lange nur vom Allernotwendigsten leben müssen.
Das Leben schmeckt nach Blut und Rost und Erde – sagen Menschen im Krieg.
Wie schmeckt dein Leben?
Mein Leben schmeckt gerade nach verkochten Kartoffeln oder nach versalzenem Eintopf oder nach Angst, gemischt mit Ohnmacht und Ungläubigkeit.
Angst, weil ich nicht weiß, wie nah uns der Krieg in der Ukraine noch kommen wird (und ich meine nicht die teurer werdenden Lebensmittel, die steigenden Preise für Energie, die stillstehenden Bänder der Industrie).
Ohnmacht, weil ich nicht weiß, was ich tun soll und weil ich mir lächerlich dabei vorkomme, nur Geld zu überweisen oder mein Gästezimmer als Unterkunft registrieren zu lassen.
Ungläubigkeit, weil ich nicht verstehen kann und will, dass Menschen so gegen Menschen vorgehen und weil ich mich frage, wieweit mein Glaube mich hält und trägt in einer Zeit, die so gottverlassen zu sein scheint.
Wie schmeckt das Leben?
Ich möchte mein Leben würzen mit einer Prise Zimt, damit es von innen durchwärmt werden kann.
Ich möchte es würzen mit ein paar Blättern Salbei, die mich widerstandsfähig machen.
Ich möchte es würzen mit der Hoffnung, von der die zarten Mandelblüten erzählen, die mir der leise Wind entgegenträgt.
Ich möchte es würzen mit dem Glauben, dass ich nicht verloren bin, ich nicht und die anderen auch nicht.
In diesen Glauben möchte ich mich einüben, auch wenn die Kartoffeln verkocht sind und der Eintopf versalzen. Ich möchte mich einüben in das Trotzdem, damit mir die Sehnsucht nicht abhandenkommt, die Sehnsucht nach einem Leben in Frieden für alle.
Im Buch der Sprüche lese ich.
„Ein Gerechter fällt siebenmal und steht wieder auf.“ (Sprüche 24,16)
Ob ich eine Gerechte bin, weiß ich nicht, aber aufstehen möchte ich.