Liebe Mitglieder und Freunde unserer Athener Gemeinde,
Pfarrer i.R. Martin Bergau ist viel mit dem Rad unterwegs. In Hannover, seinem Zuhause, gibt es einen großen Stadtwald. Er hat in diesen Tagen ein anderes Gesicht.
Buschwindröschen
Hannover ist die Stadt, in der ich lebe. Ich mag sie. Manchmal wird sie belächelt, besonders von Menschen, die sie nicht kennen. Hannover hat die Eilenriede. Das ist der örtliche Stadtwald. Ja, ein Wald mitten in der Stadt. Er ist groß. Autos müssen drumherum fahren, aber mit dem Fahrrad geht es bis an den Rand der Innenstadt.
In diesen Tagen bin ich viel unterwegs. Halte manchmal einfach an. Staune und schaue. Noch geben die hohen Bäume genügend Licht frei. Unten, auf dem weichen Waldboden, breitet sich ein betörender Lichtteppich aus. Die Buschwindröschen bedecken ihn in einem lichten Weiß, ein einziges Blütenmeer. Sie geben der Eilenriede für kurze Zeit ein ganz anderes Gepräge.
Schon immer fand ich den Namen „Buschwindröschen“ schön, irgendwie geheimnisvoll, aber auch lieblich neckend, diese kleinen, verschwenderisch sich ausbreitenden Röschen.
Als antworte die Erde dem Sternenmeer am Himmel. Als berührten sich beide für diesen frühlingshaft-frischen Moment nur weniger Tage und locken die aufbrechende Erde, die rhizomartige Verflechtung aus der Erde in ein hell leuchtendes Bild, dem die Sterne der Nacht des Nachts leuchten.
Alles, was sich in dieser bedrängenden Zeit an Farbe, Kraft der Natur, sinnlichem Augenreiz bietet, tut der bedrängten Seele wohl. Und das: mitten in der Stadt, als wolle dieses schöne Bild unserer temporeichen Zeit eine ganz andere Zeit aufscheinen lassen.
Mir fällt ein Lied ein, wenn ich auf die Buschwindröschen schaue und mir die Sterne am Himmel vorstelle:
Wo Menschen sich vergessen, die Wege verlassen und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns.
Wo Menschen sich verschenken, die Liebe bedenken, und neu…
Wo Menschen sich verbünden, den Hass überwinden, und neu…
Mit der Melodie im Kopf radle ich weiter, und für einen wertvollen Moment lege ich die Gedanken an den Krieg, an so viel Leid und Hilflosigkeit in der Welt zur Seite und lasse mich anrühren: von den kleinen Buschwindröschen.