Liebe Mitglieder und Freunde unserer Athener Gemeinde,
im Lesezeichen dieser Woche spricht Pastor Riecke über etwas, was wir uns wünschen, aber nicht immer haben.
Das neue Jahr und das Vertrauen
Sich Anvertrauen – das klingt warm. Es ist das Ziel mancher Sehnsucht. Ich kann mich jemandem anvertrauen und weiß, dass ich mich auf ihn oder sie verlassen kann. So leicht klingt es und schön. Warum fällt es uns dann oft nur so schwer, es auch zu leben?
Nicht immer haben wir gute Erfahrungen in unserem Leben gemacht. Der Mangel an Liebe hat Spuren hinterlassen. Hoffnungen, die wir auf die Begleitung von Menschen gesetzt haben, wurden enttäuscht und klingen nach. Können wir es noch einmal wagen, uns anzuvertrauen? Oder ist es doch besser, die Dinge allein im Griff der Selbstverantwortung zu behalten?
Die Bibel ist voll von Vertrauensgeschichten. Auch der Begriff des Glaubens hat hier seinen Kern. Im Hebräischen bedeutet Glauben auch „sich Festmachen“. In den Stürmen des Lebens kenne ich jemanden, der mich hält und mich nicht untergehen lässt. Und im Griechisch des Neuen Testaments sind Glauben und Vertrauen Synonyme – ganz im Sinne unserer neuen Jahreslosung: „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ Sie verbindet das Vertrauen mit dem liebevollen göttlichen Angesehen werden. So ein Blick ermöglicht es, im Vertrauen zu wachsen.
Jesus wusste, dass das oft Zeit zum Wachsen braucht. Einmal vergleicht er den Glauben mit dem Samenkorn des Senfbaumes. Winzig ist es, aber welch ein großer Baum wird aus ihm wachsen. Wie beruhigend! Pflegen wir dieses kleine Samenkorn. Es heißt „Vertrauen ins Leben, Vertrauen auf Gott“.
Eine kleine Geschichte – ich habe sie im Dezember in einer Predigt erzählt – zeigt uns den eigentlichen Grund, warum unser Vertrauen einen guten Grund hat:
Sie spielt im Mittelalter und handelt von einem Seiltänzer, der auf dem Marktplatz einer kleinen Stadt auftrat. Zuschauergerecht hatte er das Seil hoch über die Köpfe der Menschen gespannt. Sicher lief er über das schwingende Seil. Die Menschen hielten die Luft an und atmeten hörbar auf, wenn er das kleine Podest auf der anderen Seite des Seils erreicht hatte. Dieses Kunststück reichte ihm aber noch nicht. Er trug eine kleine Schiebkarre auf das Seil und schob es nun vorsichtig vor sich hin. Wieder die Spannung und die Angst, dass er hinabstürzen könnte. Aber auch das schaffte er! Der Applaus nahm die Erleichterung der Zuschauer auf. Aber nun wollte er noch etwas hinzufügen. Von oben rief er: „Wer wagt es nun, sich in diese Schiebkarre zu setzen und sich von mir über das Seil schieben zu lassen?“ Schrecken und Stille breiteten sich aus. Keiner meldete sich. Dann doch eine feste Kinderstimme: „Ich mach’s!“ Ein Raunen ging durch die Menge. „Das darf der doch nicht! Und wer ist denn überhaupt dieser Junge? Den kennen wir gar nicht. Und wo sind seine Eltern? Die müssen das doch verbieten.“ Aber schon war er die Leiter hinaufgeklettert. Schnell setzte er sich in die Schiebkarre. Die Rufe von unten versuchten vergeblich, ihn zurückzuhalten. Und das Kunststück begann. Langsam, Schritt für Schritt, ging der Künstler über das Seil. Manchmal blieb er kurz stehen, balancierte sich und die Karre mit dem Kind neu aus. Jedes Zögern und jede Unsicherheit wurden mit einem angstvollen Raunen der Menge begleitet. Schließlich der letzte Schritt: Die Schiebkarre stand fest auf dem Podest. Lautes Klatschen von unten. Dankbar verbeugte sich der Künstler. Der Junge kletterte behände das Seil hinunter und wurde von den Fragen der Menschen überhäuft. „Junge, woher hast Du denn bloß diesen Mut her? Was hätte alles passieren können! Warum hast du das gemacht?“ Die Antwort des Jungen war kurz: „Aber wusstet ihr das denn nicht? Der Seiltänzer ist doch mein Vater!“
So wie der kleine Junge wusste, auf wen er sich verlassen konnte, verlassen wir uns auf unseren Vater im Himmel. Er hat uns ins Leben gerufen und lässt uns auch auf unsicheren Wegen nicht allein. Denn er ist ein Gott, der uns sieht.