Hoffnungsstur
Viele waren versammelt. Weggefährten aus langen Berufsjahren waren da. Kirchenleitende, Familie, Freunde. Abschied vom Beruf. Eine Pastorin und Kollegin wird nach Jahrzehnten im Dienst von ihrem Amt entpflichtet. Das geschieht in einem Gottesdienst und ist verbunden mit der Bitte um Gottes Segen für den weiteren Weg.
Sie hielt also ihre letzte Predigt im Amt. Gegen Schluss ihrer Worte ein Blick in die Zukunft unserer Kirche. Eine hörende, eine suchende solle sie sein, ja, eine auf-suchende, also eine, die bei den Menschen unterwegs ist. Die ihnen nahe kommt und bleibt.
Angesichts der zunehmenden Entfremdung vieler Menschen von kirchlicher und christlicher Kultur ist das bestimmt eine gute Perspektive, die auch anschlussfähig werden kann.
Und zum Schluss ihrer Predigt dann das eine Wort, das mich seither beschäftigt. Eine Kirche, so wünsche sie es sich für die kommenden Jahre, die „hoffnungsstur und glaubensheiter“ sei.
„Hoffnungsstur“: Das Wort ist mir neu. Ich blättere nach, in meinem Etymologischen Wörterbuch, Schatz in meiner Hausbibliothek. Von „starren“ kommt das Wort „stur“ und hat einen unterschiedlichen Bedeutungshof, etwa auch im Sinne von „festhalten“, „widerspenstig sein“.
Auch wenn wir ein stures Verhalten nicht unbedingt positiv gewichten, weil es mitunter hemmend sein kann, hier ist in der Wortkombination von „hoffnungsstur“ etwas anderes gemeint. Und das klingt erstmal irritierend, dann aber kraftvoll, spannend.
Es ist ein schön-sperriges Wort zum Jahresbeginn. So viele Tage haben wir von 2023 ja noch nicht erkundet.
Mit diesem Wort will ich in dem Jahr weiter umgehen, es mir merken: Die Hoffnung, dass Friede auf Erden wachsen möge. Dass Menschen ihre Angst verlieren. Dass auch ich etwas dazu tun kann. Dass der Grundklang in der Bibel, vom Alten bis ins Neue Testament durchtönend in unseren Gemeinden und in mir lebendig bleibt und immer wieder neu lebendig wird: „Fürchtet euch nicht!“
So sangen es die Engel, in diesem Klang kam das Gotteskind zur Welt, und unter diesem Ruf können wir in die kommende Zeit gehen: „Hoffnungsstur und glaubensheiter.“
Martin Bergau