An der Ladenkasse
Das war schon mal ungünstig. Es war Samstag und bereits Mittag, und ich habe noch nicht eingekauft. Und so kam es wie zu erwarten: Gedränge im Geschäft und Schlange an der Ladenkasse. Die Zeit drängte, auch das, wie immer. Manchmal habe ich sowieso den Eindruck, dass in Supermärkten eine eigene Art von Beschleunigung entsteht, ein Druck, nun müsse aber alles ganz schnell gehen. So war das an dem Tag auch in mir. Als gäbe es in den verstreichenden Minuten, mehr sind es ja meistens nicht, etwas Besonderes zu gewinnen.
Nun also erfolgreich eingereiht in der Warteschlange vor der Kasse. Eine ältere Frau war dabei, ihre Waren einscannen zu lassen, diese nur mit einiger Mühe schon ein wenig wegzupacken, bevor sie zu ihrem Portemonnaie griff, das, an den Gebrauchsspuren sichtbar, schon manches Jahr mit ihr unterwegs war.
Es dauerte. Sie suchte das passende Geld. Unruhe in der Schlange machte sich bemerkbar, man merkt das an kleinen Bewegungen, hastig gesprochenen Worten.
Schließlich sagte sie leise etwas von ihrem schlechten Sehen und hielt der Kassiererin das Portemonnaie hin. Für einen Moment hat mich der Anblick dieser Geste irgendwie beschämt. Doch dann passierte etwas in mir.
Was wird sie alles in ihrem Leben gesehen haben? Vielleicht hat sie Kinder, viele Jahre gearbeitet, hat Höhen und Tiefen durchlebt – ein intensives, anstrengendes und vielfarbiges Lebenswerk hinter sich. Wer weiß. Auf jeden Fall ist sie mir durch meine Vorstellung von ihr auf eine Art nahegekommen, hat meine eigene innere Eile gestoppt. Für diesen Moment war ich gar nicht mehr mit der lästigen Schlange befasst, in der ich mittig stand.
Die Kassiererin blieb ganz gelassen. Sie suchte die fehlenden Münzen heraus und fragte, ob die Frau einen Beleg wünsche, freundlich und professionell. Dafür war ich ihr richtig dankbar.
Diese Verkaufshandlung erhielt eine eigene Würde, durch die Kassiererin und durch mein verändertes Sehen auf das Geschehen. Für mich war dieser Prozess eine Alltagsminiatur zur Lehre, miteinander würdevoll umzugehen. Davon leben wir.
Pfarrer i.R. Martin Bergau