„Betet ohne Unterlass!“ Diese Aufforderung aus dem 1. Thessalonicherbrief machte einem orthodoxen Mönch große Sorgen. Er wollte die Bibel ernst nehmen, stellte dann aber fest, dass er es nicht schaffte, ständig zu beten. Der Alltag lenkte ihn zu sehr ab. Er hatte Angst, dass er sein persönliches Lebensziel nicht erreichen konnte. Er wollte doch als Mönch ohne Makel vor Gott leben. Martin Luther trieb eine ähnliche Furcht um, als er noch als Augustiner-Mönch lebte.
Befreit wurde er durch die Entdeckung einer Gebetsform, die bis heute von vielen Christinnen und Christen genutzt wird, dem Herzensgebet. Andere nennen es „Das kleine Jesusgebet“. Unter anderem wird es auch von den Mönchen auf dem Athos gesprochen, indem ein kurzer Satz meditativ ständig wiederholt wird:
Κύριε Ἰησοῦ Χριστέ, υἱὲ τοῦ Θεοῦ, ἐλέησόν με.
Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner.
Auch in „meiner“ Ev.-Luth. Nordkirche wird es in Seminaren und Einkehrzeiten eingeübt.
Man sucht sich dabei einen Platz und eine Körperhaltung, die eine entspannte Konzentration ermöglicht. Man kommt zur Ruhe, lässt die Gedanken zu, die sich einstellen, lässt sie dann aber auch wie Wolken am Himmel weiterziehen. Und dann wird dieser kurze Satz in der Meditation ständig wiederholt: „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner.“ Manchen ist er noch zu lang. Dann sprechen sie: „Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner.“ Jede und jeder entscheidet dabei für sich, wo und wie lange diese Übung durchgeführt wird. Für den Anfang haben sich 5 Minuten bewährt. Bald stellen die Betenden aber fest, wie schnell diese Minuten vergehen, so dass sie die Zeit ausweiten. Das hängt aber auch von unseren äußeren Lebenssituationen ab. Im hektischen Alltag ist es manchmal nicht leicht, auch nur 5 Minuten für ein Gebet zu reservieren.
Als besonders hilfreich erleben es dabei Menschen, wenn das Gebet mit der Atmung verbunden wird. Fünf bis sechs Sekunden einatmen und dabei innerlich sagen: „Herr Jesus Christus.“ Ein bis zwei Sekunden den Atem halten. Sieben bis acht Sekunden ausatmen und dabei innerlich sagen: „… erbarme dich meiner.“ Ein bis zwei Sekunden den Atem halten.
In Einkehrtagen gab es dann oft die Rückmeldung, dass diese Gebetsform Menschen half, zur Ruhe zu kommen. Sich an die bleibende Begleitung Gottes zu erinnern. Zu spüren, dass sie nicht allein ihren Lebensweg gehen. Andere erzählten davon, dass sie dieses Gebet nutzen, wenn sie warten mussten, beim Arzt oder im Bahnhof. Andere sprachen es, wenn sie nicht einschlafen konnten.
„Betet ohne Unterlass!“ Das ließ sich mit diesen kurzen Alltagsunterbrechungen noch nicht erfüllen. Aber es stellte sich die Erfahrung ein, dass durch die meditativen Gebetsunterbrechungen des Alltages die liebende Begleitung Gottes präsent wurde. Die Betenden wurden ruhiger und bekamen mehr Lebenskraft. Und durch die Verbindung mit der Atmung wirkten die Worte auf Körper und Seele: Gott tut gut!
Pastor Kurt Riecke