Liebe Mitglieder und Freunde der Athener Kirchengemeinde, heute senden wir Euch einen Text von Frau Marlisa Thumm, ausgebildete Geschichtenerzählerin in München, zu. Sie hat einige Jahre in Athen gelebt und diese Zeilen, in der sie sich Gedanken zum aktuellen Thema macht, an eine hier lebende Freundin geschickt. In vielen ihrer Erzählungen und auch in ihren Ölgemälden spielt Griechenland eine große Rolle.
Seid herzlich gegrüßt und bleibt gesund! Dr. Silke Weßker-Vorgias und Vera Sficas
Hilfe, ich bin meinen Gedanken machtlos ausgeliefert –
Gottseidank !!, denn sie begleiten mich stets beim Radeln, ob ich will oder nicht.
Meistens entstehen daraus meine Geschichten, aber heute – nein heute brauchte ich nicht zu grübeln, heute führte das Leben meine Feder.
Corona – welch hämische Bezeichnung für ein Tod bringendes Virus – ich hätte es Splittermine genannt – aber sei‘s drum, es hat sich durchgefressen.
Mich hat das Virus lieb, denn es meidet mich. Aber Moment mal, wie kann mich jemand liebhaben und trotzdem mich meiden? Darüber kamen mir noch ganz andere Gedanken, die aber sofort verflogen waren, als ich eine sehr alte Frau beobachtete.
Ich war im fast menschenleeren Hirschgarten angekommen, das Radeln heute bei diesem wunderbaren Sonnenschein und fast ganz ohne Wind war eine Wonne.
Ja und dort sah ich dann diese Frau, so nah es mir möglich war (Abstand halten!).
Sie war sicher sehr alt, ging krumm auf einen Stock gestützt und blieb auf einmal stehen. Vermutlich musste sie Luft holen, denn ich konnte sehen, wie sie tief einatmete.
Aber ich hatte mich getäuscht. Diese Frau richtete sich auf, soweit das ging, hielt ihr faltendurchfurchtes Gesicht in die Sonne und: sie lächelte, ganz deutlich, sie hatte die Augen geschlossen und lächelte.
Jetzt konnte ich nicht weiterradeln, ich setzte mich fernab von ihr ins Gras und ließ diesen wunderbaren Moment ganz tief in meine Seele dringen. Und dabei überraschte mich mein eigenes Lächeln, das sich nicht nur in meinem Gesicht ausbreitete, sondern mir ein wärmendes Gefühl schenkte.
Offenbar hat sich diese Frau für etwas bedankt.
In diesen schweren Zeiten der Corona-Pandemie mit all ihren Folgen für uns Menschen gibt es doch auch viele Gründe in unserem Leben dankbar zu sein, wenngleich die Ängste erst einmal vorherrschen.
Ich fand für mich wirklich viele Gründe trotz mancher Sorgen und Nöte in meinem nun schon langen Leben, dankbar zu sein und rufe sie mir jetzt bewusst ins Gedächtnis.
Dazu gehört vor allen Dingen in dieser weltweiten Kontaktsperre, dass ich unglaublich viele liebevolle Anrufe, E-Mails und SMS erhalten habe, ich bin also nicht einsam, nur augenblicklich allein!
All meine aufrichtigen, liebevollen Gedanken schicke ich weiter, sie gelten meiner Tochter und Enkel, meinen Verwandten und meinen Freunden, auf dass wir uns alle irgendwann bei guter Gesundheit wiedersehen werden.
Möge Gott unser Hirte sein.
28.03.2020 Marlisa Thumm