Stärken stärken
Der Wochenspruch für den 09. Sonntag nach Trinitatis lautet:
Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.
Lukas 12,48
Wer je in eine solche Situation gekommen ist, kennt das: Eine Bewerbung. Da hat man seine Unterlagen verschickt, Persönliches preisgegeben, sitzt einer Kommission gegenüber, die mit musternden Blicken schaut. Ein Wasser wird angeboten, und dann geht es los. Fragen, nach der Motivation, der Sachkenntnis, den Perspektiven. Irgendwann im Laufe eines solchen Bewerbungsgesprächs dann die klassische Frage: Worin sehen Sie Ihre Stärken, die Sie als die geeignete Person für die ausgeschriebene Stelle ausmachen?
Diese Frage! Jetzt bloß nicht aufdrehen und blenden, aber auch nicht das eigene Licht unter einen Scheffel in falscher Bescheidenheit stellen. Authentisch wirken, flüssige Sätze, klare Aussagen. Eine Stresssituation.
Von den eigenen Stärken reden, kann rasch ins Abseits führen, beim Gegenüber unangenehme Gefühle auslösen. Es gehört Fingerspitzengefühl dazu, nicht nur in einem anstrengenden Bewerbungsgespräch. Vor allem aber auch ein Wissen darüber, was die eigenen Stärken sind und wo man sie gewinnbringend für alle einsetzen kann.
Der Wochenspruch für diese Woche ermuntert geradezu, mit den eigenen Stärken umzugehen, sie sich bewusst zu machen und fröhlich anzuwenden. Niemand vermag es, in allen Bereichen des Lebens stark zu sein. Doch es gibt sie in jedem, nämlich persönliche, individuelle Stärken, die andere erfreuen. Schade ist es, sie nicht zum Leuchten zu bringen.
Daher lese ich den Wochenspruch für diese Woche nicht im Sinne einer Forderung, eines Drucks, der Angst machen soll und an alle möglichen Defizite erinnert. Es ist vielmehr eine lockende, im guten Sinne bewegende Aussage, die eigenen Stärken wahrzunehmen und sie auch einzusetzen.
Und das ist der springende Punkt: Um sie zu wissen, ist das eine – sie auch praktische Gestalt werden lassen das andere, letztlich entscheidende. Was nicht eingesetzt wird, ist nicht da.
Mir fallen sofort etliche Menschen ein, etwa in meinem Nahfeld von Familie, Freunden und Nachbarn, bei denen ich manche Stärken ruckzuck aufzählen könnte. Das ist gar nicht schwer.
Wie ist es bei mir? So habe ich mir für diese Woche etwas vorgenommen. Neben dem Bildschirm meines Computers, auf den ich nahezu täglich schaue, habe ich einen Zettel gepinnt. Ich schreibe auf, was ich im Täglichen als meine Stärken wahrnehme. Ich bin gespannt! Auf jeden Fall ist es gut, darum zu wissen, ja, und fröhlich anzuwenden.
Pfarrer i.R. Martin Bergau