Herausgeputzt
Es gibt solche Tage. Jeder kennt sie. Es steht wieder an, manchmal schon verschoben, aber jetzt gilt es: Die Kanten und Ecken im Haus, in der Wohnung, sind dran. Am Anfang scheint es mühsam und auch ein wenig lästig. Staub hat sich schon mal zu lästigen Knäueln verdichtet, gut, dass Wasser in die Ecken und Kanten, unter Schränke und weiteren Möbeln kommt. An und für sich ist körperliche Betätigung ja auch kein Schaden, sagen wir. Es bedarf nur hin und wieder eines Rucks, also loslegen.
Doch, so sagt es meine Erfahrung: Bin ich richtig „drin“, wird die Fülle der Aufgaben spürbar kleiner, ich freue mich an der Frische, entwickle auch Ideen, vielleicht etwas umzustellen oder auch kleine Schäden zu reparieren. Manchmal vergesse ich die Zeit und höre als Unterstützungsmaßnahme alte Hits aus frühen Jahren.
Nach getanem Werk pflege ich mir eine kleine Belohnung zu gönnen, eine Blume etwa, manchmal sogar einen Strauß. Das schaue ich mir dann bei einer Tasse Kaffee an. Und freue mich. Das Leben kann auch einfach und ganz praktisch sein, denke ich für eine Weile.
Am kommenden Sonntag werden wir in der Kirche das renovierte Altarfenster einweihen und vor allem betrachten können. Es ist gewissermaßen „herausgeputzt“ worden, wieder neu zum Leuchten gebracht, damit es für viele Jahre Menschen beim Betrachten erfreuen, sie in die Stille und in den Dialog mit ihm führen kann. Und es ist wieder fest in seinen Rahmen gesetzt, stabil, damit es den Wind- und Wetterverhältnissen standhalten kann.
Wir singen Lieder an dem Tag, wir danken Gott, die Orgel erklingt, der Raum ist erfüllt – auf all das lebt die Gemeinde hin. Wir können nach Monaten der Sorge um die sensiblen Prozesse im Restaurierungsverfahren wieder auf das Fenster in voller Schönheit schauen, die uns von Gottes Geschichte mit den Menschen erzählt.
Im übertragenen Sinne können wir sagen: Es sind die Menschen, die es anschauen, es sich zu Herzen gehen lassen und damit würdigen, die so etwas wie der Blumenstrauß nach getanem Werke sind. Wenn das geschieht, hat sich alle Mühe gelohnt.
Pfarrer i.R. Marin Bergau