Liebe Mitglieder und Freunde unserer Athener Gemeinde,
das heutige Lesezeichen, das den Fragen, Sorgen und Hoffnungen in der aktuellen Situation nachgeht, kommt von Pfarrerin Iris Kaufmann aus Preveza.
Das Lesezeichen – ein Zwischenruf, ein Gedanke, ein Aufschrei – ich überlege lange, was ich schreiben soll. Die erste Schockstarre ist vorbei – dennoch kreisen die Gedanken immer wieder um den Krieg in der Ukraine – es ist schwer, sich davon zu lösen.
Ich will nicht einsehen, dass die Botschaft vom Frieden nicht mehr gelten soll, dass Frieden nur mit Tausenden von Waffen gesichert sein soll. Ich will mich nicht damit abfinden, als Spinnerin, naiv, gutgläubig und Träumerin abgetan zu werden. Ich will daran festhalten, dass Dialog, reden, dem anderen gegenübersitzen, einen Sinn haben. Aber wir scheinen uns so sehr davon entfernt zu haben. Immer wieder kommen Zweifel hoch, Gedanken wie: Und wenn sie recht haben, wenn die Menschen nun mal so sind….
Ich lese Nachrichten und erfahre, dass Menschen auf der ganzen Welt sich nicht abfinden wollen. Das stärkt. Auch sie wollen daran festhalten.
Ich schaue in die Losungen: Die heutige Losung steht bei Sprüche 8, 13: Den Herrn fürchten (also ehren und achten) heißt, das Böse hassen. Hilft mir das? Und der Lehrtext dazu aus dem Epheserbrief 2,10: Wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken.
So klare Worte, so eindeutig! Aber … Warum verstehen das die Menschen nicht?
Ich rutsche bei den Losungen aus Versehen einen Tag nach oben. Dort lese ich den Lehrtext von Dienstag: 1. Korinther 3,11: Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.
Ja, der Grund ist schon gelegt, und der bleibt. Daran kann niemand rütteln. Auf diesem Grund stehen wir – auch, wenn wir ihn nicht mehr zu spüren scheinen. Dieser Grund ist fest und hält.
Sicher kennen Sie die kleine Geschichte von der Schleiereule von Rudolf Otto Wiemer: Die Schleiereule, irgendwie bewegt, hat eines Tags den Schleier abgelegt, Jedoch, was sonst sie durch den Schleier sah, zart und entfernt, war nun bedrohlich nah. „Beschämend!“ rief die Eule. „Diese Welt, die man für schön und für vernünftig hält, wie ist sie, wenn man sie genau beschaut, grob und gemein und so, dass einem graut!“ Die Eule flog zurück in ihren Tann und legte rasch den Schleier wieder an.
Wir haben den Schleier abgelegt – er lässt sich nicht wieder anlegen, vielleicht in manchen Augenblicken, in denen das Schöne aufblitzt. Und in denen wir den Grund spüren können, auf dem wir stehen. Fest und stark. Das wünsche ich uns allen!