Seelischer Frühjahrsputz
Diese Woche war wieder Kathara Deftera, der „Reine Montag“: ein schöner, fröhlicher Tag in Griechenland, der in der orthodoxen Tradition den Beginn der Fastenzeit markiert. Dass zu diesem Tag ein kleiner Ausflug, ein Picknick und das Drachensteigen gehören, weiß jeder, der in Griechenland lebt.
Aber was kann das Wort „rein“ eigentlich bedeuten? Was kann es damit auf sich haben?
Das Wort kommt in vielen Zusammenhängen vor. Ich nenne einige Aspekte und fange beim Konkreten und Sichtbaren an:
Z. B. soll die Wohnung sauber werden. Aus meiner Kindheit kenne ich den Frühjahrsputz: Alles, was sonst nicht regelmäßig gereinigt wird, wird nun der Reinigung unterzogen. Kleidung und Teppiche werden nach dem Winter an die frische Luft gebracht. Alles soll wieder frisch werden und wie neu. Manches, was im Grunde nur Ballast ist und nicht mehr gebraucht wird, kann entsorgt werden. Für mich kann sogar das Aussortieren und Wegwerfen von Büchern ein Akt der Befreiung sein.
Im Judentum steht die Frühjahrsreinigung in einem besonderen religiösen Zusammenhang: Vor dem Passahfest – hebräisch: Pessach – soll die Wohnung einer jüdischen Familie von allem Staub des Alltags, der sich über die Gegenstände gelegt hat, vom kleinsten Krümel, vom alten Sauerteig gründlichst befreit werden. Pessach, das Fest in Erinnerung an die Befreiung der Israeliten aus Ägypten, soll ein Neuanfang sein, das Erwachen zum neuen befreiten Leben. Dafür wird im jüdischen Haushalt sogar das Geschirr hervorgeholt, das nur für dieses Fest reserviert ist.
Frühjahrsputz braucht nicht nur die Wohnung, sondern die Seele braucht auch ein inneres Aufräumen: Es mag manches geben, was mir nicht gut tut. Ich kann mich fragen, welche Beziehungen mir wirklich wichtig sind. Oder ich richte meine Aufmerksamkeit auf das, was in der Gegenwart wirklich für mich „dran“ ist. Manches Alte lasse ich einfach sein. Ich kann nicht alles festhalten, was einmal zu meinem Leben gehört hat.
In der orthodoxen Kirche ist der Sonntag vor dem „Reinen Montag“ der „Sonntag der Versöhnung“. Da gehört zu einem besonderen Gottesdienst am Sonntagabend der traditionelle Ritus, dass Priester und Gemeinde gegenseitig um Vergebung bitten und sich Vergebung gewähren. Möge es für die Beteiligten nicht nur ein Ritus bleiben, sondern zu einem Impuls zu tatsächlicher Vergebung werden!
Vergeben zu können, reinigt die Seele. Das gehört für mich zum seelischen Frühjahrsputz: Ich möchte frei werden von Ressentiments, von Missgunst, vom Festhalten von Vorwürfen, von Verbitterung, von Hass. Das soll mich nicht mehr in Beschlag nehmen. Ich möchte frei werden für Vergebung.
Pastor Peter Oßenkop