Liebe Mitglieder und Freunde unserer Athener Gemeinde
heute kommt das Lesezeichen, in dem von zwei ganz unterschiedlichen, lebensverändernden Geschichten berichtet wird, von Pfarrerin Iris Kaufmann aus Preveza.
Wie man Geschichten erzählen soll? So, dass sie einem selbst helfen.
Mein Großvater war lahm. Einmal bat man ihn, eine Geschichte von seinem Lehrer zu erzählen. Da erzählte er, wie der große Baalsche beim Beten zu hüpfen und zu tanzen pflegte. Mein Großvater stand und erzählte, und die Erzählung riss ihn so hin, dass er hüpfend und tanzend zeigen musste, wie der Meister es gemacht hatte. Von der Stunde an war er geheilt.
So soll man Geschichten erzählen!
Diese Legende stammt aus der jüdischen Chassidismus-Bewegung, deren Stifter Israel ben Elieser, der „Baal-schem-tow“, es um die Lebensfreude in der Welt geht, damit die Seele in Schwingung gerät.
Nicht Askese, sondern Lebensfreude, das war seine Botschaft.
Lebensfreude – im Lockdown.
Ja, das ist eine ziemliche Ansage. Das fällt ja doch auch schwer.
Das Leben scheint eher Askese als Lebensfreude zu sein.
Wen sehen wir? Von wem werden wir gesehen? Wer beachtet uns?
Geschichten so erzählen, dass sie uns selbst helfen.
Oder: Geschichten erzählen, sodass sie uns helfen.
Die Bibel ist voller Geschichten:
Aus einer stammt die heutige Tageslosung aus 1. Mose 16, 13:
„Du bist ein Gott, der mich sieht!“
Das sagt Hagar, die ägyptische Magd von Sarah, die Nebenfrau Abrahams, die Mutter Ismaels, die in die Wüste davongelaufen ist, weil sie von Sarah verstoßen wurde. In der Wüste begegnet sie dem Engel Gottes, der ihr Mut macht, sich ihrem Leben zu stellen, was Hagars Seele beflügelt und sie mit Zuversicht sagen lässt:
„Du bist ein Gott, der mich sieht!“
Sie geht zurück und lässt sich auf die schwierige Situation ein.
Sie weiß: Ich werde gesehen, beachtet.
Unser Leben ist voller Geschichten – welche erzählen Sie heute?