Liebe Mitglieder und Freunde unserer Athener Gemeinde,
aus Anlass des Berichts über das Jugendwort des Jahres 2022 geht Pfarrer i. R. Martin Bergau einem Wort nach, das im Laufe der Jahre bedeutsamer wird.
„Noch“
„Smash“ ist das Jugendwort des Jahres 2022. Es bedeutet, dass man mit jemandem etwas anfangen könne. Ich kannte den Ausdruck (natürlich) nicht, bin deutlich älter. Da habe ich mir mal die Liste der zehn Auswahlworte für das Jugendwort angeschaut. Ich kannte nur eines: Auf Platz 7 das Wort „bodenlos“. Über diese Platzierung wiederum war ich überrascht, das ist doch ein ganz altes Wort. Manche kehren eben wieder.
Worte haben ihre Geschichte und ihre besondere Bedeutung in den Lebensphasen. Meines heißt aktuell „noch“.
Ich fahre sehr gern Fahrrad. Und meinen Enkeln lege ich den praktischen Nutzen unermüdlich nahe, mit unterschiedlichem Erfolg. Einer hat viel Spaß am Radfahren. Neulich fuhren wir gemeinsam eine Tour. Als es für eine Weile abschüssig blieb, gab ich „Kette“. Schaffe ich es, den Elfjährigen abzuhängen? Natürlich nicht. Aus der Puste war eigentlich nur ich.
In einer Pause schaute er mich an und sagte anerkennend: „Toll, dass du das noch schaffst!“ Er meinte die Tempotour. Da war es wieder, wie jetzt so manches Mal: Das Wörtchen „noch“, dieses unerbittliche Signal einer Grenze, die sich auftut oder schon da ist. Ich nahm das Kompliment also nur mit geteilter Freude an.
Doch er hatte ja Recht. Längst sollte ich vorsichtiger fahren. Ich stelle darüber hinaus fest: So manches Mal begegnet mir in meiner eigenen Rede das Wörtchen „noch“ und hinterlässt seine Wirkung. Es ist gar nicht so einfach, damit umzugehen.
Mittlerweile habe ich einen Entschluss gefasst. Immer, wenn ich wieder über das Wörtchen „noch“ stolpere, ersetze ich es durch das Wörtchen „jetzt“: Das schaffe ich „jetzt“. Und weiß zugleich darum, dass es sich um die Gegenwart und nichts als eben solche handelt. Und dass das „noch“ ehrlicherweise sowieso mitschwingt.
So klingt der Satz aber anders, präsenter, irgendwie genussvoller, finde ich. Und erinnert mich daran, dass ich jetzt lebe und das Leben in der Fülle gestalte. Und dass wir als Gottes Geschöpfe aufgerufen sind, das Leben zu ergreifen, auch das in Grenzen. Immerhin habe ich beschlossen, nun etwas vorsichtiger zu fahren, Referenz an das „noch“.