Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen, allen, die ihn ernstlich anrufen.
Aus dem Wochenpsalm 145, 18
Eigentlich wollte ich gern Posaune spielen. Doch dann wurde es das Klavier. Schon immer haben mich Posaunenchöre fasziniert, besonders die schweren Instrumente, deren goldfarbener Glanz auf mich geradezu majestätisch wirkte. Posaunenchöre sind ja auch ein Inbegriff evangelischer Musikkultur und erfreuen sich mittlerweile wieder regem Zuspruch.
Auf einem der vielen Kirchentage, die ich in meinem Leben besucht habe, war ich mit einer großen Gruppe Jugendlicher unterwegs. Turbulente Tage! Für sie war ein Kirchentag aufregend, voller Abenteuer und spannender Begegnungen. Als Leiter hatte ich die Aufgabe, nicht nur für ein abwechslungsreiches Programm zu sorgen, sondern ihnen auch Raum zu geben, sich auszuprobieren und auf eigene Entdeckungsreisen zu gehen.
Der Abschlusstag war ein Sonntag, und wie immer begleitete ein riesiger Posaunenchor den Gottesdienst. Müde, voller Eindrücke und ein wenig überreizt waren alle in der Gruppe. Doch auch satt und zufrieden mit dem, was sie erlebt hatten.
Wir fanden einen Platz neben dem vielhundertfachen Posaunenchor aus allen Teilen Deutschlands. Direkt an unseren Ohren setzte dann der Chor mit seinen kraftvollen Tönen ein, die die ganze Luft erfüllten und zum Erzittern brachten. „Nun danket alle Gott“.
Ich kann mich nicht erinnern, so schön, so ergreifend und durchdringend diesen Klang gehört zu haben. Das war ein Weckruf der müden Glieder, und die Töne schwangen sich gen Himmel und erfüllten spielend das ganze Stadion der Abschlusskundgebung.
Das ist mir vor Augen, wenn ich das Wort aus dem Wochenspruch lese: „Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen, allen, die ihn ernstlich anrufen.“ Ein Zusatz steht dort, nicht allein Gott anrufen, heißt es, sondern ihn ernstlich anrufen.
Ja, wir haben Grund, Gott anzurufen im Gebet. In diesen ungewissen Zeiten zumal. Und das auch laut, ausdauernd und kräftig.
Doch das ernstliche Anrufen ist noch mehr: Es bezieht mich selbst ein. Ich rufe nach Gott und ernstlich, indem ich zugleich nach mir frage. Etwa danach, was ich dafür tun kann, damit sich zum Guten wende, was mich umtreibt und unruhig bleiben lässt. Oder danach, wo ich meine kleine Kraft achte und nicht gering schätze, sondern mit ihr dem Frieden diene, und sei es in der kleinen Welt, die ich überschauen kann.
Daraus wird Kraft erwachsen, und die haben wir bitter nötig. In diesem Sinne dürfen wir Gott laut und vernehmlich, ernstlich, anrufen.
Gebet:
Unser Gott, der Mächtige,
Ursprung und Vollende aller Dinge,
segne dich, gebe dir Gedeihen und Wachstum,
Gelingen deinen Hoffnungen,
Frucht deiner Mühe
Und behüte dich vor allem Argen,
sei dir Schutz in Gefahr
und Zuflucht in Angst.
Unser Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir,
wie die Sonne über der Erde
Wärme gibt dem Erstarrten
Und Freude gibt dem Lebendigen,
und sei dir gnädig,
wenn du verschlossen bist in Schuld,
erlöse dich von allem Bösen
und mache dich frei.
Unser Gott hebe sein Angesicht auf dich,
er sehe dein Leid und höre deine Stimme,
er heile und tröste dich
und gebe dir Frieden,
das Wohl des Leibes und das Wohl der Seele,
Liebe und Glück.
Amen. So will es Gott, der von Ewigkeit
zu Ewigkeit bleibt.
So steht es fest nach seinem Willen für dich.
Jörg Zink